Übergriffe im Reitsport

Übergriffe im Reitsport

Manche von uns haben noch zu einer Zeit reiten gelernt, als der Reitlehrer (vor 40 Jahren waren das fast ausschließlich Männer), sich noch dadurch ausgezeichnet hat, dass er uns fast eine Stunde lang angeschrien hat. Fersen tief, du sitzt oben wie ein Schluck Wasser in der Kurve, Zehen zum Pferd usw.. Trotzdem haben wir zu unseren Reitlehrern aufgesehen, sind hinter ihnen her gelaufen und haben sie bewundert. Nicht geschrien war genug gelobt.

Im Reitunterricht hat sich da in den letzten 30 Jahren doch sehr viel grundlegend geändert. Die Schreierei gibt es praktisch nicht mehr. Vor allem sehr viele Frauen geben jetzt auch Reitunterricht. Viel mehr wird inzwischen an der Verbindung zwischen Mensch und Pferd gearbeitet. Und zu den meisten ist auch schon durchgedrungen, dass man ein Pferd auch nicht anschreien muss, weil es ja eh sehr gut hört. Manche „Schreier“ gibt es noch, aber die kommen sehr selten vor.

Was wir aber noch immer bemerken, es gibt unseres Erachtens nach, nach wie vor Übergriffe vor allem auf Reiterinnen. Noch immer ist der Reitlehrer oder die Reitlehrerin jemand, dem wir vertrauen, sonst würden wir ja keinen Reitunterricht nehmen. Wir schauen zu ihnen auf. Und je nachdem, ob der Trainer dann auch noch gut aussieht und sympathisch ist, freuen wir uns darüber, wenn er nach der Stunde noch etwas mit uns trinken geht oder noch etwas plaudert.

Ihr seht schon, vor allem sind Frauen betroffen. Wahrscheinlich sind 80% der zu Unterrichtenden Frauen, der Anteil der männlichen Reitlehrer ist hoch. Dazu kommt noch, dass Stallungen fast ausschließlich von Männern geführt werden. Und wir alle wollen doch als Einsteller nur das Beste für unsere Pferde, selbstverständlich gibt es da Besprechungen – zu viel – zu wenig Einstreu, mehr Futter, weniger Futter, welche Koppel usw.

Versteht mich nicht falsch, hier wird hauptsächlich über Frauen gesprochen. Aber Frauen starren dem attraktiven Reitlehrer oder Stallbesitzer auch gerne mal auf den Hintern und stellen sich viel zu Nahe neben den Mann, wenn es um Gespräche über das Pferd geht. Da soll niemand ausgenommen werden.

Wo fängt ein Übergriff an und wo hört er auf?

Ist es schon ein Übergriff, wenn der Reitlehrer während des Unterrichts auf den Oberschenkel greift und das Bein einrichtet? Eigentlich nicht, allerdings sieht das auch jede persönlich anders. Wenn er den Hintern im Sattel zurecht rückt? Da soll sich jeder sein eigenes Urteil bilden.

Sind es die Stallbesitzer, die junge hübsche Mädchen um sich scharren, und die anderen Einsteller links liegen lassen? Da auch Abhängigkeiten schaffen, so nach dem Motto: Du darfst mein Pferd reiten.

Wir freuen uns als Reiter, wenn wir nach einem gemeinsamen Ausritt gefragt werden. Doch was, wenn wir nein sagen? Wird das akzeptiert, oder dauert es dann doch sehr lange, mit immer wieder den gleichen Nachfragen? Oder machen wir das dann doch, nur damit mal Ruhe ist?

Haben wir Spaß dran, wenn der Stallbesitzer Allianzen bildet und andere ausschließt, weil sie halt nicht mit reiten wollten? Nein die meisten von uns haben das nicht.

Und ganz wichtig ist die Frage: Trauen wir uns NEIN zu sagen? Wenn wir ein Pferd von jemandem reiten, dann ist das ein großes Kompliment, dass wir das dürfen. Aber ist es dann gerechtfertigt, dass der Pferdebesitzer in dem Moment, wenn wir in den Stall kommen, praktisch neben uns steht? Manchmal auch zu viel Nähe sucht? Uns anschreibt und uns praktisch zur „Reitstunde“ zitiert. Und wir dann noch, anstatt mit Freundinnen den Tag im Stall zu verbringen, den Pferdebesitzer immer neben uns „stehen“ haben.

Es mag ja Menschen geben, die das wollen.

Viel zu oft, getrauen sich Frauen aber nicht, Klartext zu reden. Leider noch immer nicht trotz #metoo. Frauen fürchten sich vor den Konsequenzen, denn die Männer haben die Macht. Sie haben die Macht, den Frauen das Pferd nicht mehr zum Reiten zu geben. Sie haben die Macht, die Frauen als Einsteller zu „degradieren“. Dann haben die Frauen plötzlich kaum mehr Vorteile für ihre Pferde. In manchen Fällen müssen sie sogar den Stall wechseln, damit sie nicht gemobbt werden. Vor allem haben die NEIN-Sager dann das Problem, dass sie aus der Stallgemeinschaft ausgeschlossen werden, weil sie ja nicht brav waren und die Übergriffe nicht akzeptiert haben.

Vielleicht ist dieser Beitrag etwas überspitzt formuliert. Trotzdem, wenn Ihr genau hinschaut, wird Euch auffallen, dass diese Dinge immer wieder vorkommen.

Habt Ihr auch Erlebnisse in diese Richtung gehabt? Dann teilt sie gerne mit uns.

Euer Team von pferd-austria.at

office@pferd-austria.at

 

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